römische Villen und Paläste

römische Villen und Paläste
römische Villen und Paläste
 
Die Entfaltung von privatem Luxus und einem aufwendigen Wohnstil gestaltete sich in den außerhalb der Städte gelegenen Villen der römischen Nobilität wesentlich unproblematischer als in Rom selbst. Strenge gesellschaftliche Normen führten in republikanischer Zeit zu einer räumlichen Trennung zweier Lebenswelten und infolgedessen zu einer merkwürdigen Doppelmoral: Den Luxus, gegen den die politische Elite polemisierte, genoss sie außerhalb Roms nur zu gerne; die griechische Kultur, die gerne als verweichlicht, mit den römischen Traditionen nicht vereinbar und daher unmoralisch gescholten wurde, galt in ihren Villen als nachahmenswerte Wunschwelt. Der Rückzug aufs Land - zum Beispiel nach Tusculum, Tivoli oder in die Villenorte Kampaniens - wurde von der römischen Gesellschaft gleichwohl nur als vorübergehende Muse zur Erholung von den Aufgaben und Pflichten im politischen Leben Roms gebilligt.
 
Die Villen dienten ursprünglich der Existenzsicherung des römischen Senatsadels, der sein Vermögen nur in Großgrundbesitz anlegen durfte. Der Umfang der Anbauflächen und der landwirtschaftlichen Anlagen konnte jedoch sehr stark schwanken: Die Spannbreite reichte von großen Agrargütern bis zu reinen Luxusvillen. Durch Anbau von Öl, Wein, Obst und Gemüse wurde eine gewisse wirtschaftliche Autarkie erstrebt. Um die Bedürfnisse nach erlesenen Speisen zu befriedigen, die bei den in der Villa stattfindenden Festlichkeiten konsumiert wurden, verfügten manche Villen auch über Fischbecken und Wildgehege, Vogelhäuser und Mastkäfige für Kleintiere.
 
Besonderen Wert legten die Villeneigentümer auf eine landschaftlich reizvolle Lage mit Blick über Land oder Meer. Oft besaßen die Angehörigen der römischen Senatsaristokratie mehrere Villen in verschiedenen Regionen und Klimalagen, die sie je nach Jahreszeit aufsuchten. Damit verringerte man einerseits das Risiko von Missernten, andererseits war es möglich, je nach Stimmung verschiedene Landschaften und Naturpanoramen zu genießen. Die Villenbesitzer statteten sich gegenseitig Besuche auf ihren Landgütern ab und führten den Standesgenossen ihre angehäuften Luxusgüter vor. Die private Sphäre in den Villen ist damit auch Ort eines deutlich artikulierten Repräsentationsdenkens und Ausdruck eines unmittelbaren Konkurrenzverhältnisses innerhalb der politisch führenden Oberschicht.
 
Die Architektur der Villen vereinigte in ihren oft stark in die Landschaft ausgreifenden Grundrissen äußerst vielfältige Gebäudeteile: Neben den wenig repräsentativen Wirtschafts- und Sklaventrakten findet man unterschiedliche Ruheräume für verschiedene Jahreszeiten, säulenumstandene Höfe und Gärten (Peristyle) mit Wasserspielen, Aussichtspavillons, unterirdische Veranden für heiße Sommermonate, kleine Tempelchen, Bibliotheken sowie mehrere Speiseräume, die mitunter sogar in natürlichen oder künstlichen Grotten angelegt waren.
 
Innerhalb der Villenausstattung diente fast alles als Träger einer einheitlich griechisch geprägten Bilderwelt: Farbenprächtige Mosaiken überzogen die Böden der meisten Räume, altertümlich wirkende Terrakottaplatten mit figürlichem Dekor hingen an den Wänden, bronzene und marmorne Gerätschaften und Möbel fanden ihren Platz in Gärten und Empfangsräumen. Großflächige Wandmalerei ersetzte eine gewünschte oder steigerte die vorhandene Ausstattung. Vor allem aber weckten die zahlreich aufgestellten Bronze- und Marmorstatuen Erinnerungen an statuengefüllte griechische Heiligtümer, an griechische Sport- und Bildungsstätten oder gar an die Paläste hellenistischer Monarchen. Besonders facettenreich wurde der Bildungsanspruch der Villenbesitzer formuliert, indem sich diese mit Statuen und Bildnissen berühmter griechischer Philosophen, Dichter und Redner umgaben; Cicero belegte in seinem Landsitz bei Tusculum sogar einzelne Gartenperistyle und Raumfolgen nostalgisch mit den Namen griechischer Kultureinrichtungen und Philosophenschulen (Academia, Lyceum, Gymnasium, Palaestra). Diesem Ambiente passten sich auch die eigenen Verhaltensweisen an: So kostümierte sich Cicero etwa mit griechischem Mantel und Sandalen oder ließ sich durch eine Statue Platons zu eigenen philosophischen Überlegungen anregen.
 
Die auf dem Palatin gelegenen Paläste der römischen Kaiser rezipierten in ihrer Funktion als repräsentative Verwaltungszentren und Herrscherresidenzen vor allem Bauformen der Villenarchitektur. Fügte sich Augustus' Haus noch in den gehobenen Wohnstandard der römischen Nobilität ein und galt deshalb als besonders bescheiden, so rief die Domus Aurea, das »Goldene Haus« des Nero, große Empörung hervor, weil die weit ausgreifende Anlage nach Art einer Landschaftsvilla einen künstlichen See, Wiesen und Wälder mitten im Herzen von Rom umfasste. In der mittleren Kaiserzeit verdeutlichten dann erstmals monumentale Audienzsäle mit Apsiden als Kulissen für ein komplizierter werdendes Hofzeremoniell die herausgehobene Position des Monarchen.
 
Dr. Johanna Fabricius
 
 
Das alte Rom. Geschichte und Kultur des Imperium Romanum, bearbeitet von Jochen Martin. Mit Beiträgen von Jochen Bleicken u. a. Gütersloh 1994.
 Bianchi Bandinelli, Ranuccio: Rom, das Zentrum der Macht. Die römische Kunst von den Anfängen bis zur Zeit Marc Aurels. Aus dem Italienischen übersetzt von Marcell Restle. München 1970.
 Coarelli, Filippo: Rom. Ein archäologischer Führer. Aus dem Italienischen. Freiburg im Breisgau u. a. 41989.
 Mielsch, Harald: Die römische Villa. Architektur und Lebensform. München 1987.
 
Römische Kunst, herausgegeben von Bernard Andreae. Freiburg im Breisgau u. a. 41982.
 Zanker, Paul: Pompeji. Stadtbild und Wohngeschmack. Mainz 1995.

Universal-Lexikon. 2012.

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